SPD Oberndorf

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Haushaltsrede 2016 der SPD-Fraktion im Stadtrat Sulz

Veröffentlicht am 15.12.2015 in Kommunalpolitik
 
   

Marx trifft Kolping in Bhutan

 

Stellungnahme der SPD- Fraktion zum Haushalt 2016

 

Siegmar Gabriel versteht die Welt nicht mehr. Da hat er sich so ins Zeug gelegt, und nun das: magere 74,3 %. Ob Anstrengung und Ergebnis in einem vertretbaren Verhältnis standen, kann immer nur die Zukunft zeigen. Das gilt auch für Haushalte. In der Gegenwart müssen Pläne am Verständnis der Herausforderungen gemessen werden. In der Demokratie kommt allerdings noch ein Gesichtspunkt hinzu: Wie wird was ich tue und beabsichtige bei meinen Wählern ankommen, die sich, zu allem Überfluss, ja auch noch auf verschiedene Lager verteilen? Und so sendet ein Haushalt - von der kommunalen bis zur europäischen Ebene - immer widersprüchliche Signale aus: sachorientiert, problemlösungswillig auf der einen Seite, beifallheischend auf der anderen. In diesem Spannungsfeld bewegen sich auch unsere alljährlichen Beratungen. Lassen Sie uns einen solchermaßen geschärften Blick auf einige Ergebnisse werfen.

 

Natürlich findet unseren uneingeschränkten Beifall, was wir selbst seit langem gefordert haben: "Außen fördert Innen" ist der erste Schritt auf dem langen Weg zur Dorfkernwiederbelebung aller Stadtteile gleichzeitig. Wir begrüßen die Anstrengungen in Sigmarswangen, Holzhausen und der Kernstadt, ein Bürgerzentrum, einen "Dorfgemeinschaftsraum" und einen "Ort der Begegnung" einzurichten. Die jetzt endlich fröhlich voranschreitende Einrichtung des Interkommunalen Gewerbegebiets "InPark A 81"wird helfen, die städtischen Einnahmen zu verbessern und qualifizierte Arbeitsplätze vorzuhalten. In der Kernstadt wird der evangelische Kindergarten saniert und den Wöhrd werden ab nächstem Jahr ein "etwas anderer" Sand- Steine- Wasser- Spielplatz und ein Kunstpfad bereichern. Über die Einführung der Gemeinschaftsschule

diskutieren wir zwar nicht einmal, aber Investitionen in den Schulen sind uns quasi Pflichtaufgabe, und das gilt auch auch für die kreisweite Installierung des Schnellen Internets für Gewerbegebiete und Haushalte durch die Telekom in den nächsten drei Jahren, bezuschusst durch den Landkreis, der dafür Kredite aufnimmt in Höhe von 11,8 Mio €. Wobei ganz besonders hervorzuheben ist, dass sich alle 21 Kommunen des Kreises an dieser Investition nach ihrer Steuerkraft beteiligen, unabhängig davon, wieweit sie ihre eigene Breitbandversorgung schon selbst vorangetrieben haben. Hier ist der vielstrapazierte Begriff "Solidarität" tatsächlich einmal angebracht.

Diese und weitere entspringen dem ISEK ebenso wie den Ideen aus den verschiedenen Bürgerarbeitskreisen, die sich seit 2012 gebildet haben. Sie sind also auch ein Signal, dass die Einladung an alle Mitmenschen, Kommunalpolitik mitzugestalten, ernst gemeint war.

 

Aber sie erhöhen auch die Gesamtverschuldung, reduzieren die Rücklage und festigen unsere Abhängigkeit vom süßen Gift des Kommunalen Finanzausgleichs und der Sonderprogramme von Bund, Land und EU. Da lässt es sich trefflich streiten, ob ein Kunstrasenplatz an einer vom ISEK[1] für Renaturierung vorgesehenen Stelle als Leitprojekt taugt und ob er in den Worten des Kämmerers, "notwendig" und nicht bloß "wünschenswert" ist. Gottlob gibt es in der Politik keine unumstößlichen Wahrheiten, sodass die in demokratischen Abstimmungen unterlegene Minderheit sich keineswegs als minderwertig fühlen muss. Niemand spricht darüberhinaus Feuerwehrleuten ein besonderes Verdienst am Gemeinwohl ab, aber es ging der Mehrheit der Gemeinderäte eben auch um eine weitestgehend gerechte Verteilung von Anerkennung und Privilegien. [1]ISEK: Integriertes Stadtentwicklungskonzept, Hrsg. Stadt Sulz, 2014

 

Neues von Flüchtlingen und Einheimischen

 

Die Bereitschaft, ein Ehrenamt zu übernehmen, ist hierzulande immer noch vergleichsweise hoch. In letzter Zeit sind einige solcher Ämter neu dazugekommen: spontane Arbeitskreise zum ISEK, der Bürgerarbeitskreis seit 2012, "Sulz engagiert" mit allen Arbeitsgruppen. Zur Novelle der Gemeindeordnung, die mehr Bürgerbeteiligung fördert und sich deswegen auch an alle "Einwohner" wendet, passt auch, dass wir auf Antrag der KollegInnen von der GAL uns im nächsten Jahr mit neuen Jugendbeteiligungsformen beschäftigen werden.

 

Neu hinzugekommen ist auch der "AK Flucht und Asyl". Dies deshalb, weil angesichts der baden- württembergischen Aufnahmequote von 13 % aller bundesdeutschen Flüchtling sich viele Sulzer Bürger von Urs Thiel und Sabrina Glöckler zu sozialem Verhalten haben anstiften lassen. Nun sind Flüchtlinge, sind Ausländer, nichts Neues. 2011 waren 19,5% unserer baden- württembergischen Mitbürger Menschen mit Migrationshintergrund (eigene Migration oder Kind in erster Generation). Seit 1945 leben in Deutschland heimatlose Ausländer, Flüchtlinge und Vertriebene aus den Ostgebieten und der DDR, Arbeitsmigranten aus Italien, Ex- Jugoslawien, der Türkei, Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion, EU- Bürger und und ... insgesamt 15,9 Mio[2]. Das ist natürlich eine Momentaufnahme. Seit 1952 sind aus aller Herren Länder überraschende 32 Millionen Menschen zu uns gekommen, gegenüber fast 22 Millionen, die von hier wegzogen. Ohne diesen Zuwanderungsgewinn von ca 10 Millionen stünde  die Bevölkerung der Bundesrepublik heute bei 71,8 Mio, mit gravierenden Problemen für die Sicherung unseres Wohlstandes und unseres BIP[3]. Von freudiger Aufnahme war dennoch eigentlich nie die Rede. Stattdessen gab es ab 1983 ein Gesetz zur "Förderung der Rückkehrbereitschaft von Ausländern".

 

Dazu wäre es nach Meinung einiger Mitbürger heute wieder an der Zeit. "Rückkehrhilfen" (400 € / Erwachsener, 200 € / Kind) gibt es ja bereits wieder. Einige Zeitgenossen gehen darüber hinaus. In der Stadt macht ein Brief eines einflussreichen Mitbürgers[4] an die evangelischen und katholischen Kirchengemeinden die Runde, in welchem Flüchtlinge kollektiv in ein äußerst schiefes Licht gerückt werden. Von  "ungezügeltem Zustrom von Analphabeten und Muslimen" ist die Rede, von einer kinderlosen Kanzlerin, die Deutschland ein "Chaos" hinterlasse; die Öffentlichkeit würde durch eine "zwangskollektivierte Einheitsmeinung" desinformiert.[5]  Zum christlichen Glauben konvertierte Mohammedaner würden bedroht; zu "Ehrenmorden" prophezeit der Verfasser: "Diese Zahl wird weiter steigen." Woher diese Sicherheit? Das lässt sich nur erklären, wenn man eine direkte Verbindung zwischen Zuwanderung und  "Ehrenmorden" konstruiert.

[2]Baden- Württemberg - eine Zuwanderungsgeschichte, Hrsg. Mathias Beer, LpB, Stuttgart 2014, p 13

[3]FR, 16.11.15 p 20

[4]anlässlich der Demonstration "Miteinander - Füreinander - Voneinander", veranstaltet von ev. und kath. Kirchengemeinde, dem AK Flucht und Asyl und Vertretern der Gemeinderatsfraktionen am 12. 11. 15; Anlass war u.a. eine Veranstaltung der AfD in der Stadthalle

[5]Zwangskollektivierung: von Stalin und seinen Nachahmern ab 1929 angewendeter Zusammenschluss ( von Bauern zu Kolchosen oder
LPGs ) unter Gewaltanwendung

Die SPD- Fraktion möchte klarstellen, dass derart angstgespeister und angstschürender Rechtspopulismus weder mit dem Grundgesetz noch mit der viel beschworenen europäischen Wertegemeinschaft vereinbar ist, schon gar nicht mit irgend einer Form christlicher Nächstenliebe.  Deshalb finden wir es auch absolut richtig, dass die Kirchen hier frühzeitig und klar Stellung bezogen haben.[6] Auf der Titelseite des Mitteilungsblatts vom 13. November, einen Tag nach der Demonstration für Menschlichkeit auf dem Marktplatz, hat darüberhinaus Bürgermeister Hieber zum Volkstrauertag die einzig richtige Antwort formuliert: "Wir ... machen diese Erinnerung fruchtbar, indem wir aufstehen gegen den Wahnsinn der Kriege, der Ungerechtigkeiten, der brutalen Intoleranz. Nicht erst, wenn es zu spät ist - Jetzt, heute, beständig." Herr Hieber, Chapeau! So etwas nenne ich "... auf dem Boden des Grundgesetzes stehen", dessen erster Artikel bekanntlich lautet: "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt." Und damit, als "unmittelbar geltendes Recht", auch unsere, des Gemeinderats und der Verwaltung, höchste Verpflichtung.

 

Wie können wir ihr gerecht werden? Zunächst einmal nur dank der vielen freiwilligen Helfer. Was hier geleistet wird an Willkommensarbeit, kann man nicht hoch genug einschätzen. Darüberhinaus weist der Haushaltsplan 1,5 Stellen einzig für diesen Zeck aus. Was nötig ist, um die Herausforderung durch so viele Flüchtlinge zu lösen, ist ein Dreiklang aus Bildung, Arbeit und Wohnen. Und auf allen Feldern gibt es kommunalpolitisch genug zu tun:

 

- Schulen und Kindergärten: müssen jede Art der Unterstützung erhalten, die sie bei der Inklusion der Flüchtlingskinder brauchen. Hier hat der Gemeinderat mit der Ausweitung der Schulsozialarbeit ein richtiges Zeichen gesetzt. Aber da kommt sicher noch mehr. Denken wir nur an Traumatisierung oder Gesundheitsprobleme.

- Harmonisierung der Anerkennung: "Deutsch für Ausländer" kann beileibe nicht jeder. Aber derzeit werden Deutschlehrer, unabhängig von ihrer Qualifikation, noch auf drei verschiedene Arten honoriert: ehrenamtlich wie Gemeinderäte, steuer- und sozialversicherungsfrei; knapp unter dem Mindestlohn, wenn sie von der BA eingesetzt werden; und wie reguläre Lehrer, wenn sie es im Dienste des Landes tun.

 

- Die Zukunft der Arbeit für Flüchtlinge: kann nicht in kommunaler Beschäftigung liegen, aber als Angebot ist jede Tätigkeit für die Gemeinde der öden, arbeitslosen  Langeweile vorzuziehen. An erster Stelle steht hier natürlich der Spracherwerb; nach unseren Erfahrungen dauert es gut zehn Jahre, bis Zuwanderer eine ähnliche Beschäftigungsquote erreicht haben wie die einheimische Bevölkerung.

 

- Integration: geht nur mit differenzierten, kleinteiligen Wohnstrukturen; Ghettos und Massenwohnungsbau, das wissen wir aus vergangenen Experimenten, führen eher zu Abkapselung statt Öffnung für unsere Kultur, für die wir unsere Neubürger ja gewinnen wollen. Topographische und soziale Randlage, wie sie sich in den französischen "banlieues" zeigt, produziert Hoffnungslosigkeit und Radikalisierung. Wir begrüßen ausdrücklich die von allen Fraktionen unterstützte Schaffung eines Eigenbetriebs 'Städtischer Wohnungsbau', der u. E. quer durch die Gesamtstadt gebraucht wird, auch im Sinne eines Sozialen Wohnungsbaus, um unerwünschten Konkurrenzen vorzubeugen.

- Städte sind seit jeher Schmelztiegel gewesen, wenn kein Rassismus dazwischen kam. Kleine Kommunen wie unsere beziehen aber ihre innere Ordnung eher aus bekannten und deshalb verlässlichen Beziehungsgeflechten. Was uns jetzt erwartet, ist ein soziologisches Experiment, das uns nicht nur ganz neue Arten von Verwaltungshandeln[7] sondern vor allem   Einfühlungsvermögen gegenüber Flüchtlingen und Einheimischen abverlangt. Die Flüchtlinge sind nicht aus Jux und Dollerei gekommen. Die Einheimischen darf man nicht überfordern. Zu all dem bedarf es nicht eines Katalogs mit Forderungen an Menschen, die vor dem Elend des Krieges geflohen sind, sondern einer kritischen Überlegung, was wir zu diesen Kriegen, diesem Elend, beigetragen haben[8]. Und erinnern wir uns auch an die Erfolge, die wir durchaus vorzuweisen haben. Denn die gibt es, und sie sollten uns optimistisch stimmen: das Wirtschaftswunder haben wir auch dank dem Drittel der Bevölkerung aus anderen Kulturkreisen inszeniert.

[6] Das war in den 30er Jahren anders: Dekan Findeisen (ev.) war selbst ein Nazi; Pfarrer Rebstock (kath.) bekämpfte die NSDAP bis 1933, wandelte sich dann zum Anhänger. Aber es gab auch die Pfarrer Lang (ev.) und Ginter (kath.), die unter für sie lebensbedrohlichen Umständen und gegen ihre Vorgesetzten Zeugnis gegen die Barbarei ablegten.

[7]Denken Sie nur an das "Sachgebiet Bürgerdienste" und seine Aufgabenausweitung
[8]Unsere Entwicklungshilfe ist gekoppelt mit unseren Export- und Importinteressen, unsere Handelspolitik vernichtet bäuerliche und handwerkliche Arbeitsplätze, wir schaffen es bisher nicht, Rüstungsexporte drastisch zurückzufahren oder die Erderwärmung aufzuhalten. ( Die Zustimmung zur ) Bombardierung ziviler Ziele hilft Dschihadisten bei der Rekrutierung weiterer todbereiter Kämpfer.

Wir stehen vor einer historischen Ausnahmesituation, der größten und komplexesten Herausforderung seit 1949. . Wir müssen alles daran setzen, diese Prüfung zu bestehen.

 

Wir finden, das stellt auch unsere Wirtschaftsordnung auf den Prüfstand.

 

 "Notwendigkeit" oder "Luxuscharakter" unserer Investitionen zeigen sich nicht nur an der Art ihrer Finanzierung. Sie zeigen sich auch daran, ob sie unseren beiden Grundproblemen - strukturelle Unterfinanzierung und Landflucht insbesondere der jungen Menschen - entgegenwirken. Aber selbst dieser Blickwinkel erlaubt nicht in allen Fällen ein endgültiges Urteil im Voraus. Haben manche Investitionen doch auch Kollateralschäden zur Folge:

- Wachstum ist immer mit Umweltbelastungen verbunden.

- Je breiter eine Finanzierung angelegt wird, umso geringer ist die Wirkung in einzeln betrachteten Teilen[9].

- Dass die (Deckungs- )Lücken in der Breitbandversorgung, ohne die der ländliche Raum über kurz oder lang zur Schlafstadt verkäme, nicht in kommunaler Eigenleistung oder wenigstens aus Bundesmitteln geschlossen werden können, zeigt, wie weit der Spielraum des Politischen heute schon eingeengt ist. Das liegt auch daran, dass betriebswirtschaftliches Denken heute alles dominiert und volks- oder gar weltwirtschaftliches Verantwortungsgefühl nicht mehr zum Zug kommt.

 

"Alternativlosigkeit" aus betriebswirtschaftlichen Zwängen ist heute schon ein Totengräber der Demokratie. "Ökonomische Prinzipien sind an die Stelle gesellschaftlicher Willensbildung getreten."[10] Demokratie lebt von der Gestaltung, von Entscheidungsfreiheit, von Alternativen. Wie soll das erst mal werden, wenn, was sich heute als "Industrie 4.0" abzeichnet, nämlich die Digitalisierung von Wertschöpfungsketten[11], sich auch in der Verwaltung[12] breitmacht? Industrie 4.0. macht den einzelnen Betrieb bedeutungslos, weil überall produziert und geplant werden kann. Wenn die einzelnen Rathäuser bedeutungslos werden, weil eg ein Bauantrag von Computern auf der ganzen Welt bearbeitet wird, ohne dass ein Beamter ihn in die Hand geschweige denn auf ihn Einfluss nimmt, wenn Computerprogramme alle  Konsequenzen einer Problemlösung lückenlos und scheinbar fehlerlos abbilden und so entscheiden, welche Freiheiten hat dann noch ein Gemeinderat? Wie will er gegen einen Maschinenverbund anargumentieren, der nichts vergisst, nichts übersieht, angeblich sogar die Zukunft kennt, zehntausende von Kriterien leidenschaftslos sortiert und Verweigerung auch gleich noch bestraft, indem er den Verweigerer bei allen anderen Computern dieser Welt als Normabweichler denunziert? Menschlichkeit, Großzügigkeit, Toleranz, Grundrechte, Gesetze, Werte, Freiheiten müssen deshalb Teil des Algorithmus werden, der Befehlskette, nach der die nur so genannte künstliche "Intelligenz" arbeitet.

[9]"Außen fördert Innen": breit angelegtes, gleichzeitig für alle Stadtteile beginnendes Programm zur Schaffung neuen Wohnraums statt besser ausgestattetem aber ungleichzeitigem Programm in nur wenigen Stadtteilen

[10]H.-Uli Thierer, SWP, Leitartikel 7.12.2015

[11]Jedes Objekt wird zum Chip- Träger und damit zum Sender und Empfänger. So können einmal ausgelöste Aufträge sich selbständig machen und sich eg von einer Maschine zur nächsten navigieren, wobei diese Maschinen zwar nebeneinander stehen können ( was wir unter einem 'Betrieb' verstehen ) aber nicht müssen.

[12]Ansätze dazu finden sich ja bereits im "virtuellen Rathaus"

Das aber geht nur über Gesetze, die den Einsatz solcher Computer regulieren. Und das wiederum geht nur über die Willensbildung in Parteien (liebe Freie Wähler).

 

Industrie 4.0 hat aber auch jetzt schon kommunalpolitische Konsequenzen: Die Anforderungen an Arbeitnehmer wie Arbeitgeber werden gewaltig zunehmen. Die Ausbildung an allen Schultypen muss dem gerecht werden. Dazu brauchen die Beruflichen Schulen Oberndorf- Sulz jetzt einfach eine Mechatroniker- Klasse. Die Schule sollte sich u. E. auch darum bemühen, zur "Lernfabrik 4.0"[13] zu werden. ( Bei beiden Vorhaben käme die Kreisumlage der Stadt unmittelbar wieder  zugute.) Und die Stadt könnte die Schule einladen, ihre Übungsfirmen auf kommunalen Handlungsfeldern agieren oder sie kommunale Probleme lösen zu lassen. Dies würde außerdem die öffentliche Wahrnehmung der jungen Mitbürger befördern, ihnen zeigen, dass sie gebraucht werden, und sie so vielleicht auch wieder für Kommunalpolitik empfänglich machen. Letztlich gilt es auch, die Fachhochschule Furtwangen, die Hochschule der Region SBH, die aus allen Nähten platzt, in den Kreis zu holen[14]. Junge Leute müssen sicher weg, um ihren Horizont zu erweitern; aber die frei werdenden Stellen sollten von anderen jungen Leuten besetzt werden.

 

Vor der Tür stehen der Winter und das Neue Kommunale Haushaltsrecht (NKHR).

Beides lässt uns gleichermaßen frösteln. Denn das NKHR wird den betriebswirtschaftlichen Charakter der Haushalte noch verstärken durch die Notwendigkeit, Abschreibungen zu erwirtschaften, aber auch durch sein ganzes Erscheinungsbild und die zugrundeliegenden Denkmuster von Wachstum des BIP als Voraussetzung jeder Problemlösung[15]. Das wird die Zwänge, denen wir jetzt schon unterliegen, noch verstärken, verhindert es doch, Leistungen im Sozial- und Bildungssektor als Investition zu sehen. Dabei wird oft gesagt, dass in Ermangelung anderer Bodenschätze Grips unser einziger Rohstoff sei. Aber haushaltstechnisch macht es  mehr Sinn, Konflikte auf dem Schulhof durch den Bau mehrerer Sperrmauern zu lösen als durch die Einstellung eines Schulsozialarbeiters. Gottlob ist dieser Gemeinderat anderer Überzeugung und hat die Stelle erweitert. Das ist einerseits ebenso nötig wie traurig, aber es ist auch ein schönes Zeichen von Gemeinsamkeit. Dazu passt, dass unter unserem ureigenen kommunalen Teilhabepaket jetzt Kinder in die Oper fahren, die da nie hingekommen wären.

 

Wäre es nicht an der Zeit, damit aufzuhören, in den Begriffen eines überholten, "neoliberalen" Ökonomiemodells, das halb Europa in die Perspektivlosigkeit getrieben hat, die Welt zu beschreiben und zu verstehen? Wäre es nicht an der Zeit, aus all diesen Gründen ( Digitalisierung von Entscheidungen, betriebswirtschaftlich fundierte "Alternativlosigkeit" und Schwachsinn eines Wachstumsdiktats, das noch aus der völligen Zerstörung eines Kontinents positive Wachstumsanreize herauslesen würde ) die Leistungskraft einer Kommune ganz anders zu

[13]  vom Land sechstellig komplementär geförderte "Labore" an Beruflichen Schulen zur Ausbildung von Metall- und Elektrotechnikern in der 4.0 - Arbeitsweise zusammen mit "Festo- Didactic : derzeit 6,5 Mio für 16 Schulen = im Schnitt > 406 000 € pro Schule

https://www.festo.com/cms/de_de/Festo-Didactic.htm

[14]    derzeit in Furtwangen, VS- S, TUT; wir sehen solche Standorte als Mittel der Strukturpolitik. Das heißt aber auch,   es muss aufhören, dass nur reiche Kommunen sich eine Außenstelle einer FH leisten können ( die sie alleine finanziell stemmen müssen) - wieder eine Aufgabe, die nur Parteien lösen können.

[15]Dabei ist dem BIP egal, um welche Art von Wachstum es sich handelt:  Stau auf der Autobahn; keiner kommt voran, Ärger, Stress, verlorene Zeit – aber das BIP steigt, denn es wird mehr Benzin verbraucht. Zum Beispiel; ein Öltanker havariert und sinkt. Das Öl läuft ins Meer und  ein ganzer Küstenstreifen wird verseucht. Wir alle kennen die Bilder von ölverschmierten Vögeln und Menschen in Schutzanzügen, die die Strände säubern.  Dafür müssen Leute gesucht und bezahlt werden – und das steigert das BIP.

[16]Liebe Parteien, lieber Städte- und Gemeindebund, lieber Städtetag, liebe Interessenverbände: darüber solltet ihr mal nachdenken!

messen als mithilfe ihres Vermögenshaushalts[16]?  Wie das BIP sagt auch der Vermögenshaushalt nichts darüber aus, wie die ausgeschütteten Investitionen verteilt werden, welche Einwohner von ihnen profitieren. Der Vermögenshaushalt macht Sulzer Firmen nicht wettbewerbsfähiger; wenn sie es nicht schon sind, fließt das Geld halt nach draußen.  Oft können wir nicht einmal sagen, wie eine Investition  sich auf Steuerkraft, Zunahme der Einwohnerzahlen und die Umwelt auswirkt. Was könnte also ein sinnvolles Messinstrument werden? IW Consult[17] und die Wirtschaftswoche haben einen komplizierten Zukunftsindex zusammengestellt, um Lebensqualität zu messen, der neben Wirtschaftsdaten auch den Immobilienmarkt, Arbeitslosigkeit und Betreuungsplätze für Kleinkinder, Anteil der Beschäftigten in Forschung und Entwicklung, Mieten im Verhältnis zu Einkommen u.v.m. enthält.

Eine weit darüber hinausgehende, völlig andere Antwort fanden das buddhistische Himalaya- Königreich Bhutan und das durch und durch kapitalistische Großbritannien: das BGP nämlich, das Bruttoglücksprodukt[18]. Es enthält die

- Förderung einer sozial gerechten Gesellschafts- und Wirtschaftsentwicklung,

- die Bewahrung und Förderung kultureller Werte,

- den Schutz der Umwelt und

- gute Regierungs- und Verwaltungsstrukturen[19].

Und, das sagt besonders die New Economics Foundation (NEF)[20] in England, wir müssen unsere Entscheidungsfreiheit wieder erringen.

 

Insbesondere die erste Forderung hat natürlich ungeheure Sprengkraft; sie verbindet Karl Marx  und Adolf Kolping (jawohl!) in der Überzeugung, es gäbe nichts Wichtigeres als die "soziale Frage". Heute lautet diese: Welches Maß an sozialer Teilhabe steht jedem Menschen mindestens zu?

 

Wäre unser kommunales Handeln von solchen Überlegungen stärker bestimmt, so ergäben sich andere Prioritäten: An erster Stelle stünden sicherlich Schulen, Soziales, Wohnungsbau und Flüchtlinge. Alles andere sucht seinen Platz in der Warteschlange. Dann wäre ein Gesundheitszentrum kein Tummelplatz für Geldanleger, sondern ausschließlich zur Deckung vorhandener Bedürfnisse bestimmt. Dann wäre es ein Gebot der Gerechtigkeit, alle Kreise von einer  regionalen FH profitieren zu lassen. Dann dürfte man die Trostlosigkeit der Landflucht nicht einfach hinnehmen. Dann wäre Wohnungsbau in erster Linie ein sozialer.

[17]http://www.iwconsult.de/home/

[18]Naja, vielleicht geht's ja auch ein bißchen kleiner."Glück", für das der Staat sich verantwortlich fühlt: da werde ich skeptisch.

[19]Na schön, aber wird man nicht endlos darüber streiten, wie und ob man diesen Vorgaben gerecht wird? Ist der Vermögenshaushalt, der ja aus Zahlen besteht, nicht ein "objektiveres" Instrument? Nein, denn der Vermögenhaushalt besteht eben nicht nur aus Zahlen, er behauptet ja auch, Ziele zu verfolgen. Nun  mögen diese Behauptungen zutreffend sein eg beim Wegebau oder beim Brandschutz. Aber den Waldertrag berechnet ein Förster anders als ein Kämmerer. Ist der Anbau an einen Kindergarten ein Beitrag zur sozialen Sicherung ? Und der Vermögenshaushalt bleibt in konfliktträchtigen Punkten vage, indem er Politikziele zusammenbindet, die nicht zusammengehören: Wenn etwas nicht der Wirtschaftsförderung dient, ist es eben ein öffentliche Einrichtung. Was nicht unter "Gesundheit" fällt ist eben "Sport" oder gar "Erholung". Schlimmer noch: der Haushaltsplan betreibt Etikettenschwindel: Die Steuerkraft einer Gemeinde, sollte man meinen, beschreibt, was ihr an Steuern in ihrem Gebiet zuwächst. Die Steuerkraftsumme einer Gemeinde beinhaltet aber auch, was ihr aus den Steuern anderer Gemeinden als Zuweisung zusteht. Das kann man doch kaum als Messung von Leistungsfähigkeit bezeichnen. Der Haushaltsplan ist eben auch nur ein Plan, die mittelfristige Finanzplanung ist, je weiter sie in die Zukunft reicht, so "präzise" wie eine Langzeit- Wettervorhersage.

[20]Anders als das BGP ist die NEF keine offiziell anerkannte Einrichtung sondern eine, wenn auch einflussreiche, private Interessengruppe.

[21]Goethe: „Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel.“

Was wären die wichtigsten Herausforderungen? Armut natürlich, Krankheit, Einsamkeit, krankmachende Umwelt. Und deren Wechselwirkungen: Wer arm ist, ist öfter krank, stirbt früher, ist öfter alleine und wohnt und arbeitet, wo wer kann lieber wegzieht. Für Kinder ist das ganz besonders schlimm, sollten sie doch aufwachsen, wo sie "Wurzeln schlagen und wo ihnen Flügel wachsen können".[21]Neben diesen objektiven gibt es aber auch subjektive Hindernisse vorm "guten Leben": Neid, vor allem. Gegen Neid kann man was tun: Man kann zum Beispiel die Unechte Teilortswahl abschaffen.

 

Die SPD- Fraktion stimmt dem Haushalt 2016 zu.

 

Klaus Schätzle, 14.12.15

           

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 
 

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