SPD Oberndorf

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Haushaltsrede Klaus Schätzle/SPD Fraktion Sulz

Veröffentlicht am 18.12.2018 in Aktuelles

Stellungnahme zum Haushalt 2019:

Zeit des Umbruchs

Haushaltsberatung anno dazumal:Der Kämmerer ging von Dürrenmettstetten nach Sigmarswangen und fiel unter die Räuber. Sie schlugen ihn nieder, raubten ihn aus und ließen ihn halbtot liegen (Lk 10,25-37, leicht verändert). Was waren das noch für Zeiten, als freigiebige Gemeinderäte dem kameralistisch- knauserigen Finanzvorsteher 70 Piepen für die Anschaffung eines Quelle- Kassettenrecorders aus DDR- Produktion für den Personalraum des Bauhofs abrangen! Oder zur Überraschung der Verwaltung mal eben den Bau des neuen Kindergartens auf der Schillerhöhe beschlossen! Als andererseits bewusst niedriggehaltene Gewinnerwartungen den Meister der Zahlen am Jahresende noch glänzender dastehen lassen würden, während ungeliebte Anträge für weitere 12 Monate abgeschmettert werden konnten! Das war noch ein echter Kampf Mann gegen Mann. Kein Wunder, der Kameralismus stammt aus dem Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges. Deswegen war er ja ursprünglich auch nicht demokratisch sondern absolutistisch inspiriert: die Herrschaft traf Entscheidungen für die Gegenwart, ohne sich um Abschreibung, Ressourcenverbrauch oder zukünftige Lasten zu kümmern. Der Gedanke der Nachhaltigkeit stammt bezeichnenderweise nicht aus der Finanz- sondern aus der Waldwirtschaft.
Wie verhält es sich nun mit der neuen, doppischen, Rechnungslegung? Ist sie trotz ihrer zweifelhaften Adoption durch den Neo- Liberalismus das bessere Steuerungsinstrument?
Manche meinen Nein: Die doppische Buchführung ist Ausdruck des Triumphs der Betriebswirtschaft über die Politik. Sie ist das "Kalte Herz" der Kommunalpolitik.
Dafür spricht, dass, was nicht zum positiven Ergebnis beiträgt, zum Problem wird: Das gilt für weite Bereiche von Sozial- und Gesellschaftspolitik. Welchen"Buchwert" hat "Soziale Teilhabe"? Und Güter, die mit zu niedrigen Preisen versehen sind, kommen genauso schlecht weg wie bisher. Dazu gehört an erster Stelle die Umwelt, deren Nutzung und Zerstörung immer noch viel zu billig sind. Aber auch das Ehrenamt, das zunehmend Aufgaben übernehmen muss, die eigentlich staatliche wären: Man denke nur an Kultur- und Umweltpolitik, Sportförderung, Armutsbekämpfung, Hilfe für Migranten und Geflüchtete, Einsatz in Schulen und Obdachlosenheimen. Schlimmer noch: viele dieser Missstände entstehen dadurch, dass andere Teile unserer Gesellschaft davon profitieren: Zucker- und Waffenfabriken und ihre Aktionäre, Lebensmittelexporteure in Länder der Dritten Welt, die sog. Unterhaltungsindustrie, das moderne "Opium des Volkes".
Andere sagen Ja: Die doppische Buchführung kann (!) Wahlgeschenke, Bürgermeister-Denkmäler und Klientelpolitik durch Darstellung der Folgekosten und den Zwang, den Resssourcenverbrauch zu kompensieren, erschweren. Sie zwingt die Kommunalpolitik in die Rolle des redlichen Kaufmanns. Dies vor allem durch das Instrument der Abschreibung. Allerdings müssen ja auch materielle Wahlgeschenke abgeschrieben werden. Also garantieren Abschreibungen per se noch keine Nachhaltigkeit, die ja bekanntlich künftige Generationen in die Lage versetzen soll, ihre Bedürfnisse so zu befriedigen, wie wir das heute tun. Es kommt immer noch auf die Qualität unserer Investitionen an.
Die Bundesregierung hat dieser Tage eingestanden, das feierlich proklamierte CO2 - Einsparziel für 2020 weit zu verfehlen. Die BRD als Vorreiter beim Klimaschutz - das war einmal. Wir wissen, das "Weiter so!" führt geradewegs in den Ruin. Steigende Meeresspiegel, Armuts- Völkerwanderungen, ressourcenbedingte Kriege, mit den Folgen, die wir jetzt schon haben - "me first", Rechtspopulismus, Faustrecht statt Völkerrecht. Wir sind nur ein winziges Rädchen  in diesem gigantischen Mechanismus. Aber Bio- Bauer zu sein, macht nur Sinn, wenn man Verantwortung übernimmt für den Zustand der ganzen Welt. Wo das nicht gegeben ist, wird es zum reinen Geschäftsmodell.
Sonntagsreden helfen nicht weiter. Wenn sich die Magd zu Christus bekehrt, muss es die Kuh im Stall merken, sagt Martin Luther. Wie sieht es damit bei uns aus? Wohnraum brauchen wir, aber wie setzen wir den gesetzlich verankerten Vorrang der Innen- vor der Außenentwicklung um? " Die Zukunft ländlicher Räume, vor allem schrumpfender Gemeinden, hängt ... von Konzentration und Verdichtung ab. Insbeson-
dere im Ortszentrum müssen gemischte und bedarfsgerechte Konzepte entwickelt
und betrieben werden, da die Mischnutzung der Schlüssel zur Vermeidung von Leerstand und Ödnis ist,"sagen Fachleute. Wir aber mögen uns nicht wirklich entscheiden. Zwar besagt  §1 Abs. 5 S. 3 BauGB, es "...soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen." Und für das Jahr 2019 geben wir 1,42 Mio für Außenentwicklung aus und 1,68 Mio für Sanierungsgebiete und AfI. Aber sind 85 % ein "Ausnahmefall"? In der Vergangenheit war Außenentwicklung sogar die Regel. Und schon für 2020 schlagen für Erschließungen im Außenbereich wieder 1,36 Mio, für Sanierung und AfI bloß noch1,2 Mio € zu Buche. Das widerspricht u. E. nicht nur dem Gesetzestext sondern auch der Sozialpflichtigkeit des Eigentums und ist nur über einen längeren Zeitraum in der Zukunft wieder ins Lot zu bringen - vorausgesetzt, wir sind überhaupt bereit, unseren Kurs zu ändern.

Aber das müssen wir. Zwar haben wir noch nie so viele Aufgaben gleichzeitig angepackt wie in diesem Haushalt. Respekt! Und in Sachen berufliche Eingliederung, regenerative Energieerzeugung und Bürgerbeteiligung sind wir richtig gut drauf. Dennoch besteht zur Selbstzufriedenheit kein Anlass. Auch 2019 werden wir wieder bloß  61,6 % unseres Finanzbedarfes aus eigener Kraft erwirtschaften. Nach wie vor ungelöst sind die Themen "Abwanderung von Jugendlichen", Tempo-30-Zonen, Radwegenetz, Ärzte- und Lehrerversorgung, Bauernfeind- Museum, Innenstadtbelebung. Die Doppik ändert an all dem nichts. Wer im großen Stil junge Familien anziehen will ( "Wie lockt man Max in die Region?"), darf keine Kindergartenbeiträge erheben - oder muss sie wenigstens sozial staffeln. Immer mehr Gemeinden tun esund werben damit. Geraten wir bald ins Hintertreffen?
Der großen Mehrzahl von uns geht es gut. Noch. Die Welt ist in zunehmend furchtbarem Zustand. Wer je geglaubt hat, die Entwicklung der Menschheit ginge vorhersehbar in Richtung gutes Leben und Demokratie, wird von berechtigten Zweifeln geplagt. Aber resignieren ist keine Option.

Wir in Sulz können nicht wirklich im großen Stil Sozialwohnungen selber bauen. Aber wir können Grundstücke bereitstellen, damit eine (hoffentlich) vom Kreis geführte Wohnungsbaugesellschaft aktiv werden kann. Und wir haben 160 000 € mehr als geplant in der Kasse wegen der nur moderaten Erhöhung der Kreisumlage und sollten diese Summe für die Subventionierung des Sozialwohnungsbaus verwenden.

Wir in Sulz können die auf organisierter Kriminalität beharrende Auto- Industrie nicht zwingen, sich ehrlich zumachen. Aber wir können unsere Kaufentscheidungen entsprechend treffen. Gesamtwirtschaftlich ist nichts vernünftig, was ökologisch unvernünftig ist. Und wir können mithelfen, Menschen vom Auto unabhängiger zu machen durch unsere Ansiedlungspolitik, das Regionale Gewerbegebiet, den Ausbau des ÖPNV, mehr ASB- Angebote für eingeschränkt mobile Mitbürger.

Wir in Sulz können Ärzte nicht herzaubern.
Aber wir können über unsere Parteien und kommunalpolitischen Organisationen darauf hinwirken, dass Niederlassungsfreiheit nach einem steuerfinanzierten Studium dort ihre Grenze findet, wo Steuerzahler Ärzte brauchen.

Wir in Sulz können uns keine Lehrer backen. Wir können auch die Zahl der Bundesländer nicht verringern.
Aber wir können im Dialog mit SchülerInnen und LehrerInnen unsere Schulen sachlich, aber auch personell(!), so ausstatten, dass sie ihren Bildungszweck frohgemut (!) erfüllen.

Wir in Sulz können weder Waffenexporte verhindern noch die  EU- Außenhandelsgrundsätze groß beeinflussen.
Aber wir können uns vornehmen, Sulz zur Fairtrade- Stadt zu erklären. Wir brauchen dazu einen Beschluss des Gemeinderats, vier Geschäfte, zwei Wirtschaften, einen Verein, je eine Schule und Kirchengemeinde, die sich bereiterklären, konstant zwei Produkte aus fairem Handel anzubieten ( in der Regel Kaffee und Zucker). Sehr geehrter Herr Bürgermeister, bitte betrachten Sie das als einen Antrag unserer Fraktion. Der SPD- Ortsverein hat als dafür zu benennenden Koordinator Hern Manfred Stocker, Mühlheim, schon gewählt.

Wir in Sulz können dazu beitragen, die Welt besser zu machen.

Apropos "besser". Das Neue Kommunale Haushaltsrecht ist dem Gemeinderat nicht gerade runtergegangen wie Öl, aber für die Verwaltung insgesamt war die Umstellung des Haushalts bei anhaltender Personalnot geradezu eine herkulische Herausforderung. Angesichts der Bravour, mit der das gelang, darf man wohl sagen: besser hätte es niemand machen - und  kommunizieren können. Frau Rehn und Frau Stühler waren einfach die besten Botschafter des "Neuen Kommunalen Haushalts- und Rechnungswesens". Die SPD- Fraktion stimmt dem Haushaltsentwurf zu.

Ich schließe mit der Hoffnung, niemandes Lebenszeit mit dieser Rede verschwendet zu haben.

Klaus Schätzle

 

 

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